Montag, 12. September 2016

Geshoppt: Cheap Chic am Neuen Wall

Ich habe es doch noch geschafft zum Neuen Wall zu laufen und einen neugierigen Blick in den Lidl Pop-Store zu werfen. Proppenvoll. In einem Interview mit Jan Bock, dem Geschäftsführer Einkauf, erklärte dieser dass man nicht damit rechne Umsatz zu machen aber mein Eindruck des Moments sah nach dem Gegenteil aus. Überhaupt hat die Aktion von Lidl viel Aufmerksamkeit in der Presse bekommen, kaum ein Blatt das nicht über den Shop und die "Premium-Kollektion" berichteten, Süddeutsche, Welt, Spiegel, Focus, auch ManagerMagazin und Handelsblatt auf ihren Onlineportalen, die Bild ja sowieso. Nicht immer positiv, das eine oder andere mal ist auch der Begriff "Ramsch" gefallen. Ein Grund mehr für mich genau hinzusehen. 

      
    
Erster Eindruck war: Es ist recht voll und die Leute tragen Mengen weg als ob es kein Morgen gäbe. Alles ist, im Gegensatz zur gemeinen Lidl-Filiale, auf schwarzen Kleiderbügeln drapiert oder liegt gestapelt in hübschen schwarz-rosa Kartons, die ein bisschen an das Wäschelabel Agent Provocateur erinnern. Die Farbpalette ist recht übersichtlich: Schwarz, Hell- und Dunkelgrau, ein wenig Dunkelblau, Burgundry (in altdeutsch: Weinrot) und ein Nude-Ton, den ich im letzten Jahrtausend noch als Altrosa bezeichnet hätte. Nu, die Welt dreht sich weiter.  Das gesamte Designkonzept ist schlicht, reduziert und wirkt edel, die Ware stimmig und ansprechend präsentiert. 

Gleich rechts am Eingang hängen lässige Trikotkleider aus Modal und Polyester für 9,99, die sich ziemlich gut anfühlen, in 36 - 44. Das habe ich erwartet. Die Größen schwanken ein wenig, meist jedoch 36 - 44, ein paarmal auch xs oder 46/48 (Ausnahme). Komfortable Haremshosen, eher geschnitten wie locker sitzend Jogginghosen, aus dem gleichen Größen-, Material- und Fabmix wie die ärmellosen Trikotkleider, sind für mich auch zu klein, finden aber reißenden Absatz. Die in vielen Presseartikeln erwähnten Kashmirpullis für 49,90€ gibt es in Schwarz, Grau und einem Ton der sich nicht recht entscheiden kann ob er Nude, Off-White oder Altrosa genannt werden möchte. Das Material fühlt sich weich und flauschig an, aber nicht ernsthaft hochwertige. (Natürlich nicht, für dieses kleine Geld) Dazwischen stehen schwarze Pumps und hochhackigeStiefeletten aus Leder für 29,99. Es gibt kragenlose Rundhals-Blazer aus Polyester-Baumwolle Mix in Grau und Schwarz für 19,99, dazu eine schmale Baumwollstretchhose für 12,99€. Gut gefallen hat mir ein Langarmshirt mit Satin-Vorderseite, hier wirkt das Nude eher Kupferfarben, für 8,99€ aber alle Teile nur in 36-44, brauche ich weder meinen Po noch meine Oberweite reinquetschen. Gut angefühlt hat sich ein weicher Woll-Kurzmantel, leider sah der aber auch arg knittrig aus, aber nur 29,99 €. Überall platziert waren noch diverse Accessoires, denen ich jedoch keine wirkliche Aufmerksamkeit geschenkt habe, wie ich bekennen muss. 
                        
Im Obergeschoss des kleinen Ladens gibt es noch mehr Lidl, Damenbekleidung aus den regulären Kollektionen, hier habe ich nicht lange verweilt weil der Quetsch- und Schubsfaktor einfach zu hoch war. Hängen geblieben bin dann innerhalb der Premiumware an, mal wieder und meine Mutter würde sagen: "Hast ja keine", klassischen Rund- und V-Ausschnitt T-Shirts aus sehr weichem, leicht glänzendem Micro-Modal, dass eco-freundlich und Co2-neutral aus österreichischer ultrafleiner Buchenholzfaser (!) mit Edelweißtechnologie hergestellt wurde.  Kein Kommentar von meiner Seite, soviel Begriffe, die ich erst googeln müsste. Ich könnte jetzt anmerken, früher, zu meiner Zeit war Modal eine Baumwoll-Viskosefaser, aber nu ja, die Welt dreht sich...

Gekauft habe ich drei von den Shirts die es auch bis 46/48 gegeben hat und die in diesen hübschen Kartons präsentiert werden, 5,99€ das Stück, die Verpackung fast teurer. Sie sitzen schmal, werden jedoch der Größte gerecht. Zum Abtransport der Schnäppchen wird dann kein profaner Lidl-Sack gereicht, sondern eine mattschwarze Papiertüte mit Satin-Griffen, so das Mann/Frau erhobenen Hauptes über den Neuen Wall flanieren kann.
                         

Fazit? Die Discounter müssen sich immer mehr Einfallen lassen um ihr Puplikum an sich zu binden, die Konkurrenz ist groß. Ich denke Lidl is ein kleiner Coup gelungen. Das Konzept ist durchdacht und die "Kollektion" in sich schlüssig. Für den Preis ist die Qualität erstaunlich gut, Ramsch würde ich dazu nicht sagen  aber natürlich darf man nicht Zuviel erwarten, wer schon mal ein paar hundert Euro für einen Kashmirschal ausgegeben hat wird z.B. von den Pullis bitter enttäuscht sein, wer ein weiches, kuschliges Kleidungsstück für den Winter zu kleinem Preis sucht, ist gut bedient.

Und der moralische Ansatz? Wo Lidl seine Sachen einkauft weiß ich nicht, aber das die Bedingungen für die dortigen Arbeiter möglicherweise nicht optimal sind, muss man in Kauf nehmen wenn man sich für ein solche Kleidungstück entscheidet. 

Hat es Spaß gemacht:  Ja. 
Werde ich für diesen Werbe-Post bezahlt? Nein, ich bin begeisterungsfähig. 
Würde ich nochmal kaufen: unter gleichen Umständen, ja. 
Shoppen kann man noch bis zum 17.9.2016 am Neuen Wall 41 in Hamburg.

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